Meine Erfahrung mit der „Tafel“

von Carola Garbe

Mein erster Besuch im Netzwerk „Unternehmerinnen Oberhavel“… und gleich eine Herausforderung. Vorbereitung der Frauenwoche 2023. Was ist eine Frauenwoche, dachte ich mir? 8. März – Internationaler Frauentag kenne ich wohl.

Das Motto war „Bei uns doch nicht“… was ist gemeint? Also erst mal Recherche . Aha, Ungleichbehandlung, Armut, Gewalt in der Familie, Schicksalsschläge? Die Unternehmerinnen haben sich vorgenommen, lasst uns über die Dinge berichten, die Ihr selbst erlebt habt, damit klar ist, das gibt es auch alles hier in Brandenburg.

Wir geben dem Ganzen eine Stimme.


Ich überlege kurz … Ich käme niemals auf die Idee zu sagen: „Bei uns doch nicht“ – liegt sicherlich an meinem Beruf und meinem Leben in Berlin.

Als Berlinerin bin ich mit sichtbarer Armut, Obdachlosigkeit aufgewachsen. Die Autos der TAFEL fahren durch die  Stadt und die Lektüre des Obdachlosenzeitung „Straßenfeger“ (heute „Koruna Kompass“) war für mich normal. Aber Halt. In Oranienburg???

Ich frage ein bisschen herum. Alteingesessene Brandenburger kennen keine Zeitung „Straßenfeger“ oder „Koruna Kompass“. Obdachlos in Oranienburg? Kennt keiner … UND DA WAR ER. Mein persönlicher „Bei uns doch nicht“-Moment.

Denn ich bin/war Gastmutter einer ukrainischen Mama mit Ihrem 6-jährigen Sohn. Sieben Monate haben sie bei uns gelebt, bis der glückliche Zufall eine kleine eigene Wohnung brachte.

Mit unserer Hilfe haben wir alle bürokratischen Hürden für Leistungen nach SGB II, Schulantrag, Deutschkurs gemeistert. Sie steht inzwischen auf eigenen Füßen.

Aber das Geld reicht nicht weit … Deshalb haben sie eine Nummer der Tafel Oranienburg für Mittwoch.

Das muss ich mir ansehen, dachte ich …

Da stehe ich nun, in der Schlange … Es gibt eine klare Ordnung. Eine Dame spricht mit den Anstehenden ausnahmslos russisch/ukrainisch … Es dürfen nur 5 Menschen gleichzeitig rein.

Auf der kleinen Karte steht genau, für wie viele Personen man Anspruch auf Essen hat. Meine Gast-Tochter bekommt eine Kiste mit Lebensmitteln, dafür zahlt sie 5,00 Euro. Diese ist heute gut gefüllt. Die Kunst besteht darin, aus dem Essen, was es gibt, etwas Schmackhaftes zu kochen. Das schafft sie gut. Sie ist dankbar, dass es dies hier gibt.

Aber sie möchte auch so schnell wie möglich ihr altes Leben bei ihrem Mann und den Eltern in Kiew zurück.

Ich würde mir wünschen, dass die Menschen erkennen, dass es diesen Moment, an dem sich ein Leben drastisch ändert, so viele Ursachen haben kann. Krieg, Vertreibung, toxische Beziehung, Alkohol, Drogen, Krankheit – können jeden treffen. Deshalb sollten wir nicht wegschauen.

Aktuell gibt es bundesweit 964 Tafeln (Stand 3/2023), die rund zwei Millionen Menschen unterstützen. Im Bild die Ausgabe in Cottbus.
  Foto: Monique WŸüstenhagen/Tafel Deutschland e.V.

Carola Garbe ist Wirtschaftsingenieurin, Ombudsfrau, langjährige HR Leiterin, Mediatorin und Wegbereiterin von Shared Leadership.

Nach vielen Jahren in Vollzeit-Jobs hat sie vor 5 Jahren das Thema Jobsharing für sich entdeckt und ist seit dem Pionierin in Ihrem Unternehmen.

Die gewonnene Freizeit nutzt sie zum Netzwerken und teilt Ihr Erfahrungen zu Führung und Kooperationskultur.

Carola Garbe, Beraterin für Jobsharing und Führung. Mehr Infos unter https://adju-k.de/.

Carola Garbe
Carola Garbe, Beraterin für Jobsharing und Führung

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