Umweg zum Erfolg
von Petra Preussler
Ich war viele Jahre alleinerziehende Mutter mit 2 Kindern. Der Vater zahlte keinen Unterhalt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich war gerade dabei, mich selbstständig zu machen (sehr weiter Arbeitsweg). Da bekam ich ein Jobangebot. Eine Teilzeitstelle um die Ecke. Als ich mich vorstellte, sagte ich gleich, dass ich was anderes vorhabe, was dazu führte, dass mich der Geschäftsführer des Vereins unbedingt einstellen wollte und mir bei der Aufteilung der wöchentlichen Arbeitsstunden entgegenkam. Nach langer Überlegung sagte ich zu, allerdings unter der Bedingung, meine Freiberuflichkeit als Nebentätigkeit weiterzuführen. Ich wurde am Anfang sogar allen Mitarbeitern als leuchtendes Beispiel vorgestellt, dass es möglich war, sich zwei Standbeine aufzubauen.
Nach kurzer Zeit stelle ich fest, dass die meisten Team-Mitglieder alleinerziehende Frauen waren, die diesen Job unbedingt brauchten, um sich und ihre Kinder zu ernähren. Wir standen unter einem immensen Existenzdruck, brauchten diesen Job und es war ein Leichtes, von uns hohe Leistungen für wenig Geld zu fordern. Eingestellt war ich als Fremdsprachenredakteurin. Neben diesem eigentlichen Aufgabenbereich hatte ich massenhaft andere Aufgaben zugewiesen bekommen, um die ich mich kümmern sollte und auch kümmerte. Am Anfang wurden wir beauftragt, die alte Schuhfabrik auf dem Hinterhof, die mal die Vereinsräume werden sollten, von Müll und Bauschutt zu räumen. Außerdem wurde ich beauftragt – nur um mal einige Aufgaben zu nennen:
- Hotelbegutachtungen und -buchungen,
- Verhandlungen zu Workshops und Symposien,
- Organisation der Abläufe und Rahmenprogramme,
- Fahren eines Kleinbusses als Shuttle zum Abholen der Symposiumsteilnehmenden,
- Gespräche und Vereinbarungen mit den beteiligten Einrichtungen,
- Einkauf von Material für Workshops,
- Freizeitgestaltung der Workshopteilnehmenden etc.
Es blieb jedoch nicht dabei, dass mir diese Aufgaben zugeteilt wurden, sondern der Geschäftsführer kontrollierte jedes meiner Gespräche und jede meiner Absprachen, indem er mit seinem Klapprad alle Veranstaltungsorte kurz vorher anfuhr und sich über mich und meine Arbeit erkundigte. Dazu muss noch gesagt werden, dass die Veranstaltung (Symposium mit Workshop) ein voller Erfolg war. Nach dem letzten Workshop war ich am Limit. Ich wendete mich an den Vorstand und verlangte eine Stellenbeschreibung.
Fazit: Meine vierjährige jährlich befristete Tätigkeit sollte entfristet werden. Dazu kam es nicht mehr. Ich wurde durch eine neue Mitarbeiterin ersetzt. Mein Vertrag wurde nicht verlängert – mit der Begründung, ich wäre ja die Einzige im Verein, die noch ein zweites Standbein hat. Und das Arbeitszeugnis, das ich bekam, war unterirdisch schlecht. Ich schrieb es um und schickte es dem Geschäftsführer zur Unterschrift. Es dauerte 15 Jahre, bis ich sie bekam.
Wie ging es weiter: Nun machte ich mich endlich selbstständig. Das war eine meiner besten Entscheidungen. Ich baute mir mehrere Standbeine auf, hatte genug Aufträge und die Sicherheit, dass ich nicht mehr so einfach vor die Tür gesetzt werden konnte.
Meine Nachfolgerin (die übrigens heute eine sehr gute Freundin ist), hat 15 Jahre lang mein umgeschriebenes Arbeitszeugnis dem Geschäftsführer zur Unterschrift vorgelegt. Kurz bevor er in Rente ging, hat er es dann unterschrieben.
Petra Preussler
PRAXIS FÜR MEDIATION UND BERUFSZIELFINDUNG im Löwenberger Land
Petra Preußler ist Mediatorin und Bildungscoach.
Sie begleitet Paare in Konflikt- oder Trennungssituationen mediativ (als neutraler Dritter) bei der Erarbeitung konstruktiver interessengerechter Lösungen und berät Menschen, die sich beruflich (neu)orientieren möchten, in ihrem Berufszielfindungsprozess..
Mehr über Petras Arbeit erfährst du auf ihrer Homepage https://petrapreussler.de
(Sie hat inzwischen auch eine Praxis im Löwenberger Land.)