Freiheit, Verantwortung und die ständige Gefahr des Scheiterns

Das Unternehmerinnen-Netzwerk beteiligt sich an der Brandenburgischen Frauenwoche 2022 mit einer Blogreihe zum Thema Gehen oder Bleiben. Eine Einleitung zum Thema finden Sie in der Vorstellung unserer Blogreihe.

Freiheit, Verantwortung und die ständige Gefahr des Scheiterns

von Ramona Bannert

Gehen oder Bleiben – das ist die Frage, die ich mir während der vergangenen Monate mehr als einmal gestellt habe, oftmals auch stellen musste. Als Selbständige, zeitweise Angestellte oder einfach nur für mich.

Während ich zu diesem Thema schreibe, bin ich wieder einmal mit dieser Fragestellung konfrontiert. Ich schreibe im Bett liegend, denn ich bin Corona positiv getestet und schlage mich mit diverser Symptomatik herum.

Selbständig zu sein bedeutet für mich, verantwortlich für mein eigenes Denken, Entscheiden und Handeln zu sein. Es bedeutet Freiheit, auch die Freiheit zu scheitern…, am Boden zu liegen oder auch wieder aufzustehen. Die Freiheit zu bleiben oder auch zu gehen.

Doch was ist, wenn ich erlebe, dass mir dieses nicht möglich ist. Wenn äußere Umstände meine Verantwortlichkeit, meine Freiheit einschränken. Wenn ich meine freiberufliche Arbeit nicht oder nur eingeschränkt ausüben darf. Die finanziellen Verpflichtungen bleiben, der Umsatz ist eingeschränkt

dann schau ich eben weiter, was noch gehen könnte.

Das kann ich als Selbständige und dreifache Mama. Und es ging für mich weiter mit der zeitlich begrenzten teilweisen Rückkehr in eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis. Eine Tätigkeit, die mich ergänzend zu meiner Selbständigkeit erfüllt, finanziell entlastet und mir neue Horizonte eröffnet. Sie bringt neue Ideen für meine Selbständigkeit. Erfahrungen und Verständnis für Menschen, mit deren Krankheitsbildern ich bis dahin wenig Berührung hatte. Und Freude an der Arbeit mit diesen Menschen. Und sie erleichtert mir die Möglichkeit des Bleibens in meiner Selbständigkeit. Aushalten zu können, ohne permanent finanziellen Druck ausgesetzt zu sein. Harmonie und Ausgewogenheit waren wieder hergestellt.

Gehen oder Bleiben … die Frage ist nun beantwortet?

Dachte ich, und musste erfahren, dass sich diese Frage durch viele Bereiche des Lebens ziehen kann. Sie ist existenziell und stellt sich mir als Person immer wieder neu.

„Das Leben fragt an, und wir haben zu antworten.“

Dieser Satz von Victor Frankl, dem Begründer der Logotherapie, kommt mir immer wieder in den Sinn.

Der nächsten großen Herausforderung, die mich erneut vor die Frage des Gehens oder Bleibens stellte, musste ich mich im Sommer des vergangenen Jahres stellen.

Nach langer Überlegung und in Hinblick auf das Klientel, mit dem ich ständig in Kontakt kam, entschied ich mich einige Tage vor unserem Urlaubsbeginn zu meiner ersten Impfung gegen COVID 19. Da ich mit diversen Nebenwirkungen gerechnet hatte, war ich zunächst nicht beunruhigt, dass ich zunehmend kraftloser wurde. Im vollen Bewusstsein der Arbeitslast der vergangenen Wochen, arbeitete ich weiter unter großer Kraftanstrengung sehr verbissen auf meinen Urlaub hin.

Nach einigen Tagen war es dann endlich soweit.  Ich startete mit meiner Familie in den Urlaub. Endlich in der Ferienwohnung angekommen, saßen wir noch ein wenig zusammen. Und plötzlich ging nichts mehr. Ich fiel zur Seite und konnte nicht mehr sprechen. Mein Geist war klar, ich wusste, da ich täglich mit diversen neurologischen Patienten zu tun hatte, dies war entweder eine Transitorische Ischämische Attacke (TIA) oder ein Schlaganfall. Im Fall einer TIA wollte ich bleiben. Bei dieser kurzen Durchblutungsstörung des Gehirns kann es zu zahlreichen Symptomen eines Schlaganfalls kommen. Diese bilden sich jedoch in den meisten Fällen wieder zurück. Und so war es dann auch. Dieser Tag war für mich der erste Tag vom Rest meines Lebens.

Offenheit, Heilsamkeit und Normalität

Und dann stand auch schon die Frage, ob ich das nächste geplante Seminar geben kann.

Ich wusste nicht, ob und wie ich zwei Tage in einem intensiven Klangseminar aushalten kann. Meinen Teilnehmern gegenüber entschied ich mich zur Offenheit. Ich erfuhr größtes Verständnis bei diesen. Es wurde ein spannendes und erfahrungsreiches Seminar. Sowohl für die Teilnehmer als auch für mich. Ich erfuhr selbst die Heilsamkeit der Klänge und ging gestärkt und dankbar aus dem Seminar.

In meiner Arbeit als Selbständige als auch im Angestelltenverhältnis stellte sich zunehmend wieder Normalität ein. Ich bin geblieben.

Ich weiß nicht, wie oft sich mir in meinem Leben noch die Frage nach dem Gehen oder Bleiben stellen wird.

Hoffentlich oft.

An den Kreuzungen des Lebens stehen keine Wegweiser, doch ich weiß, dass ich sie in mir trage.

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