Gehen oder Bleiben – quo vadis Brandenburgische Frauenwoche 2022?

Das Unternehmerinnen-Netzwerk beteiligt sich an der Brandenburgischen Frauenwoche 2022 mit einer Blogreihe zum Thema Gehen oder Bleiben. Eine Einleitung zum Thema finden Sie in der Vorstellung unserer Blogreihe.

Gehen oder Bleiben – quo vadis Brandenburgische Frauenwoche 2022?

von Selma Reese

Wohin gehen, frage ich mich? Was hat die Vertreterinnen des Frauenpolitischen Rats bewogen, dieses Motto zu wählen, das sie „in Bezug auf Geschlechterrollen, Machtverhältnisse, soziale Ungleichheit und rassistische Strukturen; auch bei der Frage nach Klimaschutz und einem nachhaltigeren Lebensstil“ verortet wissen wollen?

Soll „Gehen oder Bleiben“ als Alternative verstanden werden? Die sehe ich im Kontext globaler Fragen nicht und will damit einer Rede von Alternativlosigkeit keinerlei Vorschub leisten, zumal es immer eine Alternative gibt (doch die suizidale Variante haben die Initiatorinnen in diesem Zusammenhang vermutlich nicht gemeint). Wer Themen wie die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern, Rassismus, Klimapolitik und viele weitere drängende Fragen unserer Gesellschaft in einem Atemzug nennt, kann nicht ernsthaft fragen, ob Gehen oder Bleiben!

Entrinnen ist unmöglich

Spätestens die Corona Pandemie hat gezeigt, was Globalisierung bedeutet und dass es kein Entrinnen gibt. Wohin auch immer wir gehen wollten oder ob wir blieben, das Virus ist schon da.

Gehen oder Bleiben angesichts der drohenden Klimakatastrophe? Wohin denn? (Oder sollte das die tiefere Intension der Mars-Utopien von Elon Musk sein?) Die Klimakatastrophe betrifft uns alle. Es geht um das Überleben der Menschheit – einen Schutz braucht das Klima nicht, die Erde würde vermutlich sogar besser ohne Menschen auskommen. Wir haben nur die eine Erde und beuten sie gnadenlos aus, verschwenden Ressourcen und obwohl wir um die Bedrohung schon lange wissen, zerstören wir unsere Lebensgrundlage. Es ist Zeit zum Handeln.

Oder ist Gehen oder Bleiben als biologisch-evolutionäre Reaktion auf drohende Gefahren zu verstehen? Sind also Flucht und Erstarrung gemeint? Dann fehlt wohl die dritte – vielleicht eher männliche – Variante der Antwort nämlich Angriff.

Hervorheben, vermeiden oder was?

Oder passt eine psychologische Interpretation besser? Gehen als Sublimierung oder Reaktanz und Bleiben, indem verdrängt, verleugnet, vermieden wird und Fakten einfach nicht wahrgenommen werden?

Was bedeutet Gehen oder Bleiben im Zusammenhang der Geschlechterdebatte? Aufruf zur Transformation, Transsexualität oder einer diversen Identität?

Lässt sich Gehen oder Bleiben vielleicht als Hinschauen oder Wegsehen interpretieren? Angesichts von Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus, Diskriminierung wirkt es zynisch und kann wohl auch nicht gemeint sein.

Sollte Gehen oder Bleiben der Gedankenwelt des kalten Krieges entspringen als „Rübermachen“ in den Westen als Option erschien? Diese Zeiten sind vorbei.

Was bedeutet Gehen oder Bleiben im Kontext von „Bleiberecht, Zukunftsoptionen und Selbstbestimmung für geflüchtete Frauen“? Wie bitte? Waren diese Frauen nicht gerade geflohen und sind mit der Hoffnung gekommen, in einem fremden Land Fuß zu fassen?

Lieber beherzte Fragen stellen als vorm globalgalaktischen Sammelsurium kapitulieren

Zukunftssichere Familien- und Arbeitspolitik, sozial-ökologischer Umbau von Wirtschaft und Zivilgesellschaft, vielfältige Freizeitangebote und eine digitale Anbindung des ländlichen Raumes als aufgestellte Forderungen, um über Gehen oder Bleiben zu entscheiden? Fehlt eigentlich etwas in dieser Aufzählung?

Ist Gehen oder Bleiben ernsthaft als Diskussionsbeitrag zur Frage wie wir leben wollen gemeint? Ich bin ratlos. Die Auflistung der Themen wirkt wie ein globalgalaktisches Sammelsurium und dokumentiert eine hilflose Kapitulation vor den drängenden Herausforderungen unserer Zeit.

Dabei hätte ich mir ein mutiges und couragiertes Statement im Sinne von Empowerment für die Frauenwoche gewünscht. Den Kopf in den Sand stecken und den Realitäten nicht ins Auge zu blicken ist fahrlässig. Statt Diskussion in Endlosschleifen sind beherzte und kraftvolle Schritte gefragt, und wir Frauen haben die Chance, entschlossen voranzugehen. Oder wenigstens die richtigen Fragen zu stellen.

Selma Reese ist Dipl. syst. Coach (ECA) und Trainerin mit Schwerpunkt Karriere-Coaching, Berufsorientierung und Existenzgründungsberatung. Sie moderiert Workshops, hält Seminare u.a. zur Persönlichkeitsentwicklung und Selbstmarketing und berät darüber hinaus Fach- und Führungskräfte.

Mehr Informationen unter info@selma-reese.de.

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