Lesung über Fontanes Frauen

War Fontane ein Frauenrechtler und/oder ein Frauenversteher? Nicht ganz so zugespitzt, aber durchaus mit akribischem Forscherinnen-Interesse, recherchierte Christine von Brühl für ihr im Herbst 2018 im Aufbau-Verlag erschienenes Buch „Gerade dadurch sind sie mir lieb. Fontanes Frauen“. Am 9. März 2019 las die Autorin in der Kunstkate Kraatz. „Ich bin sehr glücklich, dass wir die gefragte Autorin für eine Lesung bei uns gewinnen konnten“, freute sich Kulturmanagerin Manuela Röhken. Sie hatte die Gemeinschaftsveranstaltung von Netzwerk Unternehmerinnen in Oberhavel und Frauenpolitischem Rat Brandenburg im Rahmen der 29. Brandenburgischen Frauenwoche unter dem Motto „Hälfte/Hälfte – ganz einfach“ initiiert und organisiert.

Manuela Röhken begrüßt Christine Gräfin von Brühl

„Wenn es einen Menschen gibt, der für Frauen schwärmt, und sie beinahe doppelt liebt (…), dann bin ich es“, bekannte Fontane. Christine von Brühl leitet mit diesem Zitat aus einem Brief das Vorwort für ihr Buch und ihre Lesung ein. Sie findet es interessant, dass der gelernte Apotheker und langjährige Journalist die von ihm kritisierten gesellschaftlichen Widersprüche seiner Zeit exemplarisch an Frauenfiguren demonstriert. Doch welche Motive trieben den „grundsoliden Charakter“ an?

Interessiertes Publikum lauscht der Autorin.

Freundlich-respektvoll und humorvoll-unbedarft beschreibt die Autorin den Schriftsteller, dem die Frauen vertrauten: „Er (…) dachte laut nach, hörte genau zu. Er spielte sich nicht auf und machte sich nicht künstlich wichtig.“ Ebenso bemerkenswert findet Christine von Brühl Fontanes unbefangenen Umgang mit persönlichen Befindlichkeiten und seine präzisen Schilderungen von Krankheitszuständen. Sie würdigt seine Erzählungen als „wesentlichen Beitrag zur Kulturgeschichte der Frau“. Nicht zuletzt deshalb, weil er dokumentierte, wie Frauen mit der doppelzüngigen Moral des 19. Jahrhunderts kollidierten.

Autorin Christine von Brühl hat Slawistik, Geschichte und Philosophie studiert.

Ein Mann der Frauenbewegung sei Fontane allerdings nicht gewesen, ist die Autorin überzeugt. Als ein Beispiel für diese Annahme zitiert sie aus einem Brief an Fontanes Frau Emilie, in dem es um das Wahlrecht für Frauen geht. Aus einem anfänglichen „Warum nicht?“ wurde darin ein zweifelndes „Aber wozu?“

Einige Kapitel sind von FrauenOrten im Land Brandenburg inspiriert. So das Kapitel über Fontanes ungleiche Schwestern Jenny und Elisabeth. Christine von Brühl hat für ihr aktuelles Buch an zahlreichen authentischen Orten recherchiert, auch in Oberhavel. Beispielsweise am Schloss Hoppenrade im Löwenberger Land. „Man darf nichts erfinden“, sagt sie ganz vehement und nennt aktuelle Medienvergleiche zwischen Fontane und dem SPIEGEL-Fälscher Relotius „eine Beleidigung für Fontane“.

Mit einem ausführlichen Kapitel über Effi Briest und echte Vorbilder für Fontanes Frauenfiguren schließt die begeistert aufgenommene Lesung.

Persönliche Widmungen waren sehr gefragt.

Christine von Brühl hat im Fontane-Jahr einen wahren Lesetour-Marathon durch die Bundesrepublik vor sich. Im Landkreis Oberhavel liest sie wieder am 10. Mai im Schloss Oranienburg, am 13. September im Rathaus 16540 Hohen Neuendorf und am 10. Oktober 2019 in der Stadtbibliothek Henningsdorf. (dm)

Fotos: Dagmar Möbius

Kommentare sind geschlossen