Unternehmerische Neuausrichtung im (Vor-)Pandemiejahr: Durchstarten, Notlandung, Aufstehen & Anpassen 

Es war zum Sommerfest der Unternehmerinnen im letzten Jahr, dass ich mich meldete, einen Beitrag für den Blog im Februar zu schreiben, welcher über meine Erfahrungen und Erlebnisse als Unternehmerin des letzten Jahres berichten sollte.

Gerade hatten wir meine Ausstellung im Künstlerhof Roofensee besucht und ich fühlte mich glücklich und bestärkt vom Feedback der Frauen.

Ich dachte: Gut, im Januar kann ich bestimmt ausreichend überblicken, wie das letzte Jahr sich auf mein Unternehmen ausgewirkt hat. Sicherlich haben wir wieder in eine gewisse Normalität zurückgefunden.

Heute weiß ich es besser.

Aber zurück zum Anfang und den Veränderungen, welche ich für mich und mein Unternehmen für 2020 geplant hatte.

Durchstarten

Mitte 2019 entschied ich mich, mal Jemanden von außen auf mein berufliches Betätigungsfeld schauen zu lassen. Tut nicht weh und kann nicht schaden.

Ich hatte in den letzten 15 Jahren ein Einzelunternehmen aufgebaut, welches mit dem Bereich Keramik und Freie Kunst im Hofatelier, der Ladengalerie, der Kunsttherapie-Praxis und der Tätigkeit als Dozentin im eigenen Atelier und extern, u. a. für die Museumswerkstatt und den Künstlerhof, doch optimal aufgestellt war. So dachte ich.

Ich unterdrückte die innere Unzufriedenheit und eine diffuse Unruhe. Den Druck, meine im Kopf schlummernden Projekte im Kopf umzusetzen, versuchte ich zu unterdrücken. Im Alltag fehlten die Möglichkeiten.

Persönliche Neuausrichtung

Mitte 2019 traf mich das Coaching-Angebot der Agentur für Kreativwirtschaft genau an diesem Punkt. Jetzt mal raus aus der Wohlfühlphase und bereit sein für Anregungen von außen, dachte ich mir.

War das leichtsinnig?

Die Brandenburger Agentur für Kreativwirtschaft bot mir verschiedene Coaches an und ich entschied mich für eine Potsdamer Agentur. (Auf Anfrage nenne ich gerne den Namen.)

Im Prozess des Coachings – und das geht nur, wenn man sich selbst intensiv einbringt, wie ich heute weiß – ergab sich mein großer Bedarf an Zeit für eigene künstlerische Arbeiten und die Fokussierung auf deren Vermarktung.

Schritte aus der Komfortzone

Freier und leichtfüßig ging ich an die Planung der notwendigen Schritte und kam ins Stocken, als mir die finanziellen Konsequenzen bewusstwurden. Immerhin hielt mich meine Lehrtätigkeit beruflich am Leben. Trotzdem entschied ich mich für die Investition in meine Zukunft.
Es folgte die Trennung der beruflichen Standbeine, ein neuer Internetauftritt und die Planung einer Werbekampagne.

Dann erhielt ich durch Zufall die Möglichkeit, meine keramischen Arbeiten zusammen mit einem bekannten Möbelhersteller auf der imm cologne, einer der größten, internationalen Möbel- und Einrichtungsmesse in Köln und anschließend in Mailand, auszustellen.

Es war ein tolles Angebot, welches mir aber auch Angst machte. Konnte ich mir das zutrauen, sind meine Arbeiten gut genug? Aber die Person, die mir dieses Angebot machte, kannte meine Keramik und so entschied ich: Ja. Ich mache das.

Ich investierte in neue Visitenkarten, hochwertige Verpackungen aus Holz und andere Neuerungen. Und ich stürzte mich mit Unterstützung in die Umsetzung der neuen Internetseite. Meine eigentliche Arbeit sollte nach der Messe beginnen und zu potenziellen Auftragsgebern führen.

Die Messe fand im Januar 2020 statt. Ich reiste nach Köln. Ich wartete auf die potenziellen Auftraggeber.

Dann kam Corona.

Die Messehallen in Mailand wurden zu einem großen Krankenhaus umgebaut und konnten so die Flut der tausendfach Erkrankten aufnehmen. Und das war genau richtig so! Für mich bedeutete es: Umplanen.

Notlandung und Aufstehen

Jetzt schien meine Zielsetzung für die unmittelbare Zukunft unwichtig. Um nicht in Stillstand zu verfallen, begann ich mein Atelier zu entrümpeln und auszumisten. Dabei entstand nicht nur Raum für mich. Auch im Kopf entwickelten sich neue Gestaltungsideen und Entwürfe.

Das Atelier brauchte neue Farbe und ich wollte meine entstehenden neuen Arbeiten auch in meiner Nähe haben. Mit Unterstützung eines befreundeten Tischlers konnte ich eine Regallösung kostengünstig umsetzen und habe nun die aktuelle Kollektion immer direkt vor mir.

Keramik als Ausdruck des Lebensgefühls

Die neue Serie in Steinzeug erhielt den Arbeitstitel „beschnitten“. Genau passend zu der Zeit, beschreibend meinen inneren und äußeren Zustand. Mit Klingen und Messern bearbeite ich die Oberfläche der gedrehten, „grünen“ Keramik, bis die ursprüngliche Form nur noch zu erahnen ist. Jedes Teil ist ein Unikat, Schnittform und -fläche sind der eingefangene Zustand meines Befindens.
Heute trägt diese Serie den Namen „futuro“.

Der Sommer brachte ein Aufatmen. Zwar konnten die geplanten RAKU-Workshops in Italien nicht stattfinden, aber ich durfte in mein Atelier nach Morinesio reisen.

Im Herbst spürte ich wieder eine Unruhe in mir aufkommen und die Klarheit, dass wir die Pandemie noch nicht hinter uns gelassen haben.
Das Keramikfestival mit Ausstellung in Faenza (Italien) – ich hatte mich beworben und eine Zusage erhalten – wurde verschoben. Es war nicht klar, ob ich einen Herbstsalon ausrichten könnte und das verschobene „offene Atelier“ stattfinden würde.

Anpassen

Ich musste andere Möglichkeiten finden, um mich bekannter zu machen. Aber wie sollte ich das anstellen? Meine Pläne aus dem Coaching, Galerien und Designläden zu besuchen und mich vorzustellen, konnte ich nicht umsetzten. Alles war und ist geschlossen und viele kämpfen ums Überleben.

Ein Workshop zum Thema „ Vermarktung für Künstler“, zu dem ich mich angemeldet hatte, konnte stattfinden, wenn auch nicht wie geplant live in der Galerie Bernau, sondern online via Internet.

Keramik online

Ich begann intensiver, via Social Media, meine Keramik bekannt zu machen und stellte schnell fest, dass ich auch hier eine Änderung meiner Einstellung andenken sollte. Bisher war ich strikt der Meinung, dass man Kunst, und bei mir keramische Kunst, nur von Betrachter zu Objekt verkaufen könne. Gerade in der plastischen Gestaltung sind die Dreidimensionalität und auch die Haptik für mich wichtig.

Trotz aller Bedenken dachte ich über die Einrichtung eines eigenen Onlineshops und einer Onlinegalerie nach. Ich informierte mich im Netz und bei Anbietern. Ich begann Fotos zu machen und meine Grenzen zu erkennen, aber eine Fotografin zu beauftragen, wie ich es erst ein Jahr zuvor für die neue Webpräsenz getan hatte, konnte ich mir einfach nicht leisten. Ich mache die Fotos selbst und in meinem Onlineshop kann man heute Keramik kaufen.

Und es geht weiter.

Neu in diesem Jahr ist zum Beispiel ein online-Workshop zum Thema „Mein wilder Garten – Lösungsansätze für Selbstbetrachtung und Selbstfürsorge“, den ich im Rahmen der Brandenburgischen Frauenwoche mit Manuela Röhken geben werde. Mehr Infos dazu gibt es hier.

Verena Siol arbeitet als Freie Künstlerin und Kunsttherapeutin.

Ihre Gestaltungen sind geprägt durch lebendige Wertschätzung der Schönheit, die den ganz
alltäglichen Gegenständen innewohnt.

Mehr Informationen unter www.verenasiol.de.

Verena Siol, Freie Künstlerin und Kunsttherapeutin.

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