Familiäres Gefälle zwischen Idealismus und Alltag
von Katharina Tolle
Geld und Macht spielten in unserer Beziehung schon immer irgendwie eine Rolle, wenn auch nicht nach dem klassischen Prinzip von „er verdient Geld; sie macht den Haushalt“. Als wir uns kennenlernten, hatte ich einen gut bezahlten Teilzeitjob neben der Uni. Mein Mann – damals Freund – studierte dual und bekam ein Ausbildungsgehalt.
Dann schloss er sein Studium ab. Er verdiente nun ein gutes Vollzeitgehalt. Ich dagegen blieb in Teilzeit.
Irgendwann bekamen wir das erste Kind. Wir gingen beide in Elternzeit. Er sogar mehr als ich. Unsere Steuererklärung war in dem Jahr wirklich spannend …
Er ging nach Ende der Elternzeit wieder voll arbeiten. Ich blieb in Teilzeit. Aus der Studi-Teilzeit in die Mutti-Teilzeit. Kind Nummer 2 kam. Wieder: Beide nahmen wir etwa gleich viel Elternzeit. Danach war er in Vollzeit, ich in Teilzeit.
Und während meine Mutter immer mal wieder fragte, wie ich das denn hinbekäme, auch noch arbeiten zu gehen, wollte er immer wieder darauf hinaus, dass auch ich Vollzeit arbeiten ginge. Denn Frauen sind gleichberechtigt und es ist nur normal, dass beide voll arbeiten gehen.
Nun ja, es kam anders.
Denn statt meine Arbeitsstunden im Büro aufzustocken, machte ich mich nach Ende der Elternzeit von Kind #3 selbstständig. Nebenberuflich.
Das klingt nach Hobby. Für mich war es dagegen viel mehr.
Für mich war es die Möglichkeit, das zu tun, was ich wirklich liebe – und damit auch noch Geld zu verdienen. Ich dachte, mein Mann würde es cool finden. Mehr Arbeit und so. Fand er nicht.
Zu ungewiss. Zu volatil. Nicht das, was ich gelernt hatte (was ich aber dennoch gut konnte!). Und überhaupt, mit dem Hobby Geld verdienen ist nicht gut.
Auf einmal stellten sich ganz andere Fragen: Ist es okay, wenn ich für meine Selbstständigkeit einen Termin wahrnehme, sodass er die Kinder abholen muss? Ist es okay, dass ich aus dem Homeoffice es viel leichter habe, die Kids zur Schule und Kita zu bringen und nachmittags abzuholen – auch wenn das faktisch bedeutet, dass ich bloß sieben Stunden minus Mittagspause habe, um zu arbeiten?
Und wie berechne ich eigentlich die „Freizeitanteile“ und die „Geldverdienen-Anteile“ bei dem, was ich tue? An einem Blogbeitrag verdiene ich erst mal nichts. Irgendwann vielleicht mal. Erstmal ist er bloß da. Ja, er ist Werbung. Aber keine Auftragsarbeit. Freizeit? Geld verdienen?
In unserem Haushalt führe ich die Konten. Sowohl mein Geschäftskonto als auch unser Familienkonto.
Dass ich mir Geld erbitten muss, gibt es „bei mir doch nicht“.
Dass ich ein schlechtes Gewissen habe, wenn ich ihm sagen muss: Das ist diesen Monat nicht drin – klar, das gibt es.
Bei mir doch nicht. Oder doch?
Geld und Macht liegen ganz eng zusammen. Die Macht, mir nebenbei etwas aufzubauen, hatte ich nur, weil wir erstmal genug Geld hatten, sodass ich meine Anstellung nicht aufstocken musste. Das Geld war dafür also Voraussetzung.
Mein Mann ist so ziemlich der unkapitalistischste Mensch der Welt. Er ist Idealist. Er will, dass genug Geld da ist, aber nur, damit er davon die Dinge kaufen kann, die er mag oder braucht. Geld als Statussymbol ist ihm fremd. Mit zu viel Geld verbindet er fast sofort auch zu viel Macht und damit Machtmissbrauch. Er will genau so viel Geld, dass er seine konkreten Ideen umsetzen kann.
Ich will so viel Geld, dass ich meine Träume verwirklichen kann.
Nicht immer ist diese Diskrepanz einfach zu überwinden.
Wir bemühen uns, dass das Geld, das wir erwirtschaften, zwischenmenschlich kein Machtgefälle auslöst. Bisher gelingt das gut. Das heißt nicht, dass es einfach wäre. Im Gegenteil. Wir haben da beide recht starke Prägungen von zu Hause mitbekommen — und die passen erstmal nicht zusammen.
Das ist aber auch eine Chance. Denn so müssen wir uns immer wieder hinterfragen. Und merken dann, wenn Geld zum Machtinstrument wird. Dann können wir gegensteuern.
Wir sind nicht am Ende der Entwicklung. Im Gegenteil. Je erfolgreicher ich mit meiner Selbstständigkeit werde, desto deutlicher werden wir uns positionieren müssen: Wie fühlt es sich an, wenn ich mehr verdiene als er? Wie viel Geld können wir beide unabgesprochen ausgeben? Wie offen reden wir mit der Familie über Geld – sowohl mit unseren Eltern und Großeltern, als auch mit unseren Kindern?
Und inwieweit lassen wir zu, dass uns familienintern Macht zusteht, weil wir Geld haben? Jetzt und auch unseren Kindern gegenüber, wenn diese größer werden?
Geld und Macht waren schon immer miteinander verknüpft. Wir werden es nicht schaffen, diese Korrelation aufzulösen. Doch es hilft – sowohl auf familiärer als auch auf gesellschaftlicher Ebene – auf diese Strukturen hinzuweisen, sie offenzulegen und zu hinterfragen. Immer wieder.
Katharina Tolle schreibt — am liebsten über Geburten, Feminismus und Unternehmerinnen. Oder alles drei zusammen.
Und sie liest — am liebsten über Geburten, Feminismus und Unternehmerinnen. Oder alles drei zusammen.
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