Hut ab vor den Pilzen oder unsichtbare Netzwerke 

Das Unternehmerinnen-Netzwerk beteiligt sich an der Brandenburgischen Frauenwoche 2022 mit einer Blogreihe zum Thema Gehen oder Bleiben. Eine Einleitung zum Thema finden Sie in der Vorstellung unserer Blogreihe.

Hut ab vor den Pilzen oder unsichtbare Netzwerke 

von Manuela Röhken

Schwer duftender Novemberwald, feuchtes Laub auf dem Boden, knisternder Nadelteppich unter den Sohlen. Meine zweite Pilzexkursion in diesem Jahr bringt mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Pilze sind ein weites Feld. Einfach mal ein paar Spaziergänge im Wald verschaffen mir klares Denken und meinem Körper eine Portion Fürsorge.

Für die Vorstufe einer Ausbildung in Sachen Pilze reicht die frische Waldluft nicht aus. Zwei der pilzigen Ausbildungen wären die zum „Pilzcoach“ oder zur „Pilzsachverständigen“. Diese erfolgreich abzuschließen, bleibt vorerst eine Vision.

Wood Wide Web

Meine verschiedenen Ausbildungen im Bereich der essbaren Wildpflanzen helfen mir nur bedingt. Unvorstellbar scheinen mir die Ausmaße des WWW – des Wood Wide Web. Die gigantische Zahl von geschätzten 1,5 Millionen Pilzarten steht weit über den ungefähr 250.000 Pflanzenarten weltweit. Die Pilze werden weder als Tiere noch als Pflanzen eingeordnet, sondern bilden ein eigenes Reich.

Vorstellbar sind für mich allerdings die Pilze des täglichen Bedarfs. Zu den nutzbaren Pilzen gehören der Schimmel vom Käse, die Brauhefe oder die Backhefe. Immer da, aber selten gewünscht sind Schimmel auf dem Brot, Mutterkorn am Getreide, Hausschwamm oder die körpereigenen Pilze.

Partner fürs Leben

Das Pilzgeflecht verbirgt sich zumeist im Boden vor uns. Die uns bekannten Wald- oder Zuchtpilze hingegen sind nur die sichtbaren Fruchtkörper des eigentlichen Pilzes. Hier gilt ausnahmsweise: mehr Sein als Schein.

Die Pilze gehen Partnerschaften mit Pflanzen oder Bäumen ein, Stoffaustausch zum gegenseitigen Vorteil. Bei den Pilzen nennt man diese symbiotische Verbindung Mykorrhiza. Die Wurzeln der Pilze und die Wurzeln der Bäume verwachsen miteinander und verbinden so ganze Wälder. Bis in den unwirtlichsten Winkel dieser Erde und in allen Klimazonen schließen sich Pilze und Pflanzen zum Überleben zusammen. Welch eine schöne und brauchbare Idee für eine Lebenspartnerschaft.

Hut ab vor den Pilzen

Beziehungen und Austausch bleiben solange bestehen, wie es die Umstände und Faktoren hergeben, bei den Pilzen jedenfalls. Klingt gut jedoch für mein eigenes Leben zu theoretisch. Umstände wie Ausbrechen aus der Beziehung wegen Trauer, Wut, anderweitig Verliebtsein oder Beleidigtsein zum Beispiel geht den Pilzen am Allerwertesten vorbei. Für sie zählt der Austausch in der Beziehung als grundlegend und abgesprochen. Hand drauf sozusagen. Klare Sache.

In einem komplexen Stoffkreislauf gibt ein Baum bis zu einem Drittel seiner produzierten Leckereien in das Wurzelnetz der Pilze im Boden ab. Der Pilz wiederum versorgt den Baum mit Wasser und Nährsalzen.

Und was haben diese Gemeinschaften nicht alles überlebt?

Langanhaltende Trockenheit, erdrückende Feinstaubüberlast und die Tschernobyl-Wolke. Das Wurzelgeflecht des Pfifferlings kann bis zu menschengleichen 80 Jahren alt werden. Und das älteste Lebewesen ist ein auf 8000 Jahre geschätzter Hallimaschpilz im amerikanischen Oregon. Ohne Pilze, ihre beispielhaften Geflechte und Stoffkreisläufe würde unsere Zivilisation nicht existieren. Hut ab vor den Pilzen.

Gehen oder Bleiben

Einfach losgehen, wenn etwas nicht passt, die Tür zuschlagen oder den Anruf blockieren sind wenig wertschätzende Aktionen unseren Mitmenschen und Partnern gegenüber.

Gehen oder Bleiben?

Diese Frage stellt sich bei unseren Protagonisten, den biologischen Organismen nicht. Sie nutzen spezielle Überlebensstrategien. Die Netzwerkgemeinde tauscht relevante Informationen über Botenstoffe aus. Wer steht vor der Tür? Nähern sich Freund, Verwandte oder Feind? Diese wertvollen Informationen lassen die Netzwerkpartner schnell reagieren, die Abwehrsysteme aktivieren und sich auf die aktuelle Lage einstellen. Ohnehin haben sie schon längst ihre Begleiter und Lebenspartner gefunden, mit denen sie gemeinsam stark sind. Kiefer mit Butterpilz, Birke mit Birkenpilz, Rotbuche mit Sommersteinpilz.

Pilze sind ein weites Feld, wie ich schon anfangs erwähnte.

Bleib dran und blicke auf das Wood Wide Web. Dort findest du zahlreiche Antworten auf die Frage: Wie arbeiten Netzwerke?

Manuela Röhken ist Kräuterpädagogin und Fachberaterin zur Selbstversorgung mit essbaren Wildpflanzen.

Ganzjährig gibt sie Workshops und veranstaltet Kräuterspaziergänge.

Wenn sie nicht gerade Wildkräuter sammelt, organisiert sie Ausstellungen und Veranstaltungen in der Kunstkate in Kraatz.

Beiträge von Manuela Röhken:

Manuela Röhken, Kräuterpädagogin

https://naturkunstwerk.roehken.de

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